Sicherheit und Fairness von Online-Prüfungen

Stellungnahme

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Online-Prüfungen sind die Achillesferse des Lehrbetriebs unter Pandemiebedingungen. Die aktuellen e-Learning Systeme sind kaum geeignet, faire und sichere Prüfungen zu gewährleisten. Neben technischen Problemen wie Netzwerkstörungen, hoher Last auf Prüfungsservern und unzuverlässiger Software sind vor allem die allzu einfachen Täuschungsmöglichkeiten kritisch. Die Feststellung der Identität über die Anmeldung zu Prüfungssystemen ist unzureichend, denn diese Daten können weitergegeben werden. Eine Video-Identifikation ist aufwändig und auch nur dann halbwegs sicher, wenn die Kamera während der kompletten Prüfung angeschaltet bleibt und die Bilder permanent überwacht werden. Wegen des hohen Aufwands und der ungeklärten Datenschutz-Fragen wird auf die Videoüberwachung häufig ganz oder teilweise verzichtet. Online-Proctoring Software, die den Rechner des Prüflings überwacht, hat sich an den meisten Hochschulen nicht durchsetzen können.

Bei Online-Prüfungen muss daher in vielen Fällen davon ausgegangen werden, dass die Teilnehmer das Internet und elektronische Unterlagen nutzen und untereinander oder mit Dritten kommunizieren können. Der Nachweis dieser Täuschungen ist schwierig und manchem Prüfer ist das Spektrum der technischen Möglichkeiten womöglich gar nicht bekannt. Aus gutem Grund sind bei den meisten Prüfungen keine oder nur wenige Hilfsmittel und keine gegenseitige Kommunikation erlaubt. Online-Prüfungen müssen unter diesen Bedingungen deshalb anders konzipiert werden, beispielsweise als Open-Book Ausarbeitungen mit personalisierten Aufgaben. Dies ist (insbesondere in den Grundlagenfächern) in vielen Fällen aber gar nicht möglich oder nicht sinnvoll.

Die technischen Anforderungen und die Möglichkeit von Störungen während einer Online-Prüfung erzeugen bei den Studierenden zusätzliche Unsicherheit und Druck. Die einfachen Täuschungsmöglichkeiten werden auch das Verhalten derjenigen beeinflussen, die an sich ehrlich bleiben wollen, aber sich dann im Nachteil sehen. Hier darf man nicht naiv sein: die Prüfungen in manchen Fächern verlangen eine wochenlange Vorbereitung und die Chance, sich ohne allzu großes Risiko einen Vorteil zu verschaffen, wird auch genutzt werden. Die Folgen für die Integrität, Vergleichbarkeit und Reputation von Prüfungen und Abschlüssen sind offensichtlich.

Sind Online-Prüfungen während der Pandemie alternativlos? Während eines Lockdowns wird man die Risiken sicher sorgfältig abwägen müssen. Verschiebungen von Präsenzklausuren um einige Wochen oder Monate können eine Option sein. Mündliche Online-Prüfungen mit laufender Sprach- und Video-Kommunikation zwischen Prüfer und Prüfling sind weniger riskant als schriftliche oder elektronische Prüfungen, die zu Hause unter unsicheren Rahmenbedingungen ablaufen.

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Heiko Knospe
Professor für Mathematik in der Nachrichtentechnik

My research interests include number theory, cryptography and network security.